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Neues aus der Rubrik „Die GPA fragt nach!“

The Last Dance in Fulda. Heute mit Tobias Wagemann im Interview.

Über viele Jahre war das Bulls&Balls in Fulda das Mekka für Flippersportinteressierte. Über die letzten Jahre hat sich dort ein Hotspot entwickelt, der Spieler und Spielerinnen aus der ganzen Welt magisch angezogen hat. Nun wird die Location in den nächsten Wochen verkauft und durch die übernehmende Firma anderweitig verwendet. Nächste Woche – beim Finale der German Championship Series – wird also zum letzten Tanz gebeten. Ich habe heute Tobias Wagemann zum Interview eingeladen, um mit ihm zusammen die Entwicklung der letzten Jahre Revue passieren zu lassen, die Highlights zu beleuchten und vielleicht einen kleinen Ausblick in die Zukunft zu erhaschen. Das Interview wurde von Heiko Hagedorn im Namen der GPA durchgeführt.

Tobias im heimischen Flipperland

Heiko: „Guten Morgen Tobias. Danke für deine Zeit für dieses Interview. Du bist in der Flipperszene bekannt wie ein bunter Hund. Allerdings möchten wir auch die Personen erreichen, die dich nicht kennen. Also: Wer du bist und wie du zum Flipperenthusiast geworden bist. Stell dich doch am besten einfach mal vor.“

Tobias: „Hallo Heiko. Mein Name ist Tobias und ich bin der Flipperei wieder verfallen seit etwa 2011. Damals noch „im Kleinen“ mit dem einen oder anderen Turnier hier und der Flipperliga da. Relativ schnell habe ich dann angefangen selbst Flipper zu sammeln, aufzuhübschen und auch wieder zu tauschen. Über die Jahre sind meine Turnierspielerambitionen weiter gestiegen, was mich zwischendurch auf Platz 3 in Deutschland und auf Platz 31 in der Weltrangliste gebracht hat. Mein Fokus hat sich dann aber mehr und mehr in Bereich Turnierorganisation verschoben. Waren es anfangs kleine Turniere – auch bei mir daheim – wurden die Veranstaltungen dann im Bulls&Balls von Jahr zu Jahr größer und umfangreicher.“

Heiko: „Das Engagement für die Turnierspieler ist wirklich enorm. Die Flipperei ist weltweit gut organisiert und durch Nico Wicke haben wir auch erfahren, dass es für ihn ein Sport ist. Siehst du das ähnlich? Es gibt in jedem Land einen Country Director, also ein Bindeglied zwischen der jeweiligen Flippercommunity eines Landes und dem Flipperverband aus Amerika. Was hat es damit auf sich, kannst du uns dazu mehr erzählen?“

Tobias: „Der Country Director hat vor vielen Jahren bei der Anmeldung von Turnieren unterstützt, Regelwerke aus Amerika im Forum übersetzt und offene Fragen aus dem Bereich der Gemeinschaft geklärt. Ich habe dies vor vielen Jahren von Martin Hotze übernommen und dann auf etwas andere Füße gestellt. Die Verantwortungen wurden mehr auf die Gemeinschaft gelenkt. Mit Erfolg! Wir haben viele Turnierleitungen, die den ganzen Ablauf planerisch völlig selbständig machen. Nach einer einjährigen Unterbrechung, in der mich Frank Goeltl wirklich hervorragend unterstützt und vertreten hat, teile ich mir nun die anfallenden Aufgaben mit Kim Danielmeier, der ja auch den Vorstand der GPA mit bestückt. Alle Abläufe haben mittlerweile einen sehr professionellen Charakter. Dies gilt sowohl bei der Turnierorga, aber auch bei den Spielerinnen und Spielern. Nicht wenige betreiben einen großen Aufwand, um dieses Hobby als Sport zu betreiben. Und das muss auch unser Bestreben sein: Diesen Flipper-Sport in die breite Masse der Bevölkerung bringen. Und wer mal in Fulda über 3 und mehr Tage geflippert hat, teilweise bis zu 15 Stunden täglich, der wird beipflichten, dass es ein Sport ist (lacht).

Heiko: „Machen wir einmal den Schwenk zu den Flipperturnieren. Wie hat sich das alles in den letzten Jahren entwickelt, auf welchem Stand stehen wir jetzt gerade und wie siehst du die Zukunft im Bereich der Turniere?“

Tobias: „Als ich damals anfing Turniere zu spielen, gab es pro Wochenende immer ein Turnier. Hat man nicht gut gespielt, war man schnell wieder raus und konnte nach Hause fahren. Das hat mich immer geärgert und ich habe angefangen die Turniere auszubauen. Erst einzelne Turniere über mehrere Tage, später sind wir dann angefangen und haben auch zwei Turniere pro Tag gespielt. Gemündet ist dies dann in den IFPA Pinball Olympics, wo wir über viereinhalb Tage 13 Turniere gespielt haben. Mit dabei natürlich das Midnight Madness, also ein Turnier nach dem letzten Turnier des Tages. Start war Mitternacht, Ende gegen sieben Uhr morgens. Das war für die ganz Harten (lacht). Aber auch Frauenturniere und Teamturniere haben nach und nach Einzug in die Flipperlandschaft gewonnen. Stand jetzt ist gerade: Wir leben in tollen Zeiten für Turnierspieler und – spielerinnen. Man kann bundesweit mehrere Wochenenden im Monat vollständig im Flippersport verbringen.“

Heiko: „Viele vermissen die „gute alte Zeit“, schwelgen in Erinnerungen und möchten fachsimpeln, Teile tauschen, Geräte reparieren und die Flipper der Öffentlichkeit zugänglich machen. Waren alle gleich glücklich mit dieser Entwicklung des Flippersports?“

Tobias: „Nein, natürlich nicht. Die Veränderung war ein sehr krasser Einschnitt in jahrelange Routinen in der Flippersportwelt. Aber wir haben schnell viele Anhänger gefunden. Unsere Turnierserien waren innerhalb von Sekunden ausgebucht, man musste echt schnell sein. Nach und nach haben andere Locations begonnen diese Serien auch in ähnlicher Form anzubieten. Dies hat sich schnell auf europäische Ebene ausgebreitet. Zum Schluss waren es dann auch tatsächlich die Amerikaner, die dieses System adaptiert und kopiert haben. Eine wirklich tolle Entwicklung.“

Heiko: „Viele, die neu in der Flipperszene ankommen, kennen nur wenige Turniere. Du sagtest, dass die Turniere mittlerweile über mehrere Tage gehen können. Der damit verbundene Aufwand würde mich an dieser Stelle interessieren. Was steckt dahinter?“

Volle Hütte beim HoHoHo

Tobias: „(lacht) Der Aufwand ist enorm und hier spreche ich für das Bulls&Balls. Dieser muss unterteilt werden in den Aufwand, den die Turnierleitung hat und den Aufwand, den die Menschen in der Location haben. Wir haben mittlerweile einen Standard erreicht, der kaum mehr zu toppen ist. Das Bulls&Balls bietet eine perfekte Mischung zwischen professionell geführten Turnieren, aber ist auch brillant im Bereich des „Drumherums“. Und vor Ort ist Matthias, Patrizia, Marvin plus Crew zuständig. Essen und Getränke müssen da sein, die Location blitzen, alle Geräte müssen turnierbereit sein; es müssen alle Gäste das Gefühl haben, dass sie ein einzigartiges Wochenende erleben. Für die Turnierleitung daheim geht der Rummel auch schon Monate vorher los. Es müssen Infos raus, die Turniere müssen angemeldet werden, Anmeldeportale müssen konfiguriert und gepflegt sein. Dann kommen die Anmeldungen, Geld wird eingesammelt und die angemeldeten Menschen werden in der Turniersoftware in die Turniere gepackt. Dann Pokale, Regelwerke ausarbeiten, Reden vorbereiten. Dann wird das Turnier, meist über mehrere Tage, durchgeführt. Und dann haben wir noch die Nachbereitung. Ergebnisse melden, die Gebühren an den amerikanischen Verband abführen. Die Liste ist natürlich unvollständig.

Heiko: „Der Aufwand eines Turniers, gekoppelt an eine mehrtägige Veranstaltung, der Con in Gronau, erlebe ich aktuell selber. Das ist intensive Arbeit und das passende Programm zu finden, bedürfen mehrere Helfer und ehrenamtliches Engagement. Ich könnte mir auch vorstellen, dass dafür eine Con-Truppe gebildet wird, die nur diese Aufgabe hat und eine Truppe, die sich nur um Turniere kümmert. Was hältst du von dieser Idee und könnte man den aktuellen Standard auch mit anderen Locations etablieren? Ich sehe weiterhin, dass auch bei deinem Turnier-Marathon ein großer Aufwand dahintersteckt. Sowas macht man nicht alleine oder?

Tobias: „Natürlich nicht. Anfangs war es vielleicht noch so, aber ohne Unterstützung geht es nicht. Mit Dina und Jim haben wir zwei Helfer, die nicht nur überall mit anpacken und unterstützen, sondern auch an allen Stellen optimieren. Dina leitet die Turniere mit und beide haben – so ganz nebenbei – auch noch eines der größten und besten Streaming-Equipments an Bord (mit JDL_Pinball). Dann sind da Kim, Margit und Andy, die sich um die Technik kümmern; dies im Vorfeld in langen Wochenendsessions und dann während des Turniers natürlich. Und dann haben wir mit Frank, Dirk, Alex und vielen anderen Unterstützung am Grill, an den Geräten, beim Erfassen von Ergebnissen oder bei der Leitung der Nebenturniere. Es ist eine kräftezehrende Teamleistung, die aber am Ende immer aufgeht, wenn wir bis zu 120 glückliche Gesichter am Sonntag wieder nach Hause schicken.

Die Idee mit einem Team, welches sich nur um die Cons kümmert, finde ich sehr charmant. Wir haben in den Reihen der GPA viele mit entsprechenden Erfahrungen, warum also nicht diese Kanäle weiter anzapfen? Und zum Thema Standards: Jeder Jeck tickt anders, jede Location ist von der Beschaffenheit anders. Einen Standard wird man nicht etablieren können, aber wir können gemeinsam individuelle Lösungen schaffen, mit denen die Spielerinnen und Spieler glücklich sind, die aber auch von den Menschen in den Vereinen bzw. Locations allgemein mitgegangen werden. Hierbei helfe ich nach wie vor sehr gerne.“

Heiko: „Jetzt geht nächste Woche eine Ära zu Ende. The Last Dance… Wie fühlt sich das an?“

Tobias: „Schlimm, wirklich. Über Jahre haben wir uns immer weiterentwickelt und langsam greifen viele Automatismen. Und nun muss das Bulls&Balls leider verkauft werden. Es geht damit tatsächlich was Großes zu Ende. Fulda ist mitten in Deutschland, aber auch mitten in Europa. Die Turnierserien haben Menschen aus der ganzen Welt angezogen. Wir haben zahlreiche Turnierserien erfunden und etabliert, wir haben aber auch im letzten Jahr die große Europameisterschaft (EPC) gerockt und nebenbei daraus einen 11-Tage-Flipper-Marathon gemacht. Dieser musste berufsbedingt ohne mich stattfinden, aber die Rückmeldungen dazu waren überragend. Es waren nahezu alle Topspieler der Welt da. Ich beende am Sonntag die Serie wirklich mit lauter weinenden Augen. Sowas wird es sicherlich kein zweites Mal geben.“

Heiko: „Ein gutes Beispiel für die Team-Arbeit, dass auch der Marathon trotz deiner Abwesenheit funktionierte. Das ist eine starke Leistung. Nun muss man wissen, dass bei den Turnieren auch um Weltranglistenpunkte gespielt wird. Je größer die Turniere, desto mehr Punkte gewinnen Spieler und Spielerinnen. Gewertet wird dies in der Weltrangliste, die vom amerikanischen Verband gestellt und gepflegt wird. Nun bricht die wohl größte Location in Europa weg. Wie kann man sich die Zukunft des Flippersports vorstellen?

Siegerehrung beim Hohoho

Tobias: „Mit einem Wort: rosig! In Amerika ist der Flipper als Sportgerät ganz anders dimensioniert. Wir konnten eine Zeit lang mithalten, weil unser neues System das der Amerikaner „überholt“ hat. Amerika hat aber schon lange aufgeschlossen und lässt solche Serien regelmäßig stattfinden. Die alten Kräfteverhältnisse sind also schon längst wieder hergestellt. Ich spreche jetzt nur für Deutschland: Es sieht hier richtig gut aus. Wir haben viele tolle Vereine, Museen, öffentliche Locations mit festen Öffnungszeiten und auch Händler, die regelmäßig tolle Turniere anbieten. Ein Messen auf nationaler Ebene ist also durchaus weiter möglich. Und wer weiß was in Zukunft weiter passiert. Bei der GPA tut sich ja auch einiges, was dafürspricht, dass es Nachfragen in diversen Bereichen gibt.“

Heiko: „Die letzte Veranstaltung steht dieses Wochenende bevor in Fulda und damit schließt das Mekka für Flippersportinteressierte. Wenn nun bei dir „die Lichter“ im Organisationsbereich ausgehen, wie machst du weiter?“

Tobias: „Ehrlich? Weiß ich noch nicht. Durch meine Familie mit bald schulpflichtigen Kindern, mit einem neuen Job, der mich sehr fordert und mit Haus, Hof, Freunden, Freizeit usw. sind die 24 Stunden pro Tag gut ausgefüllt. Ich verfolge aber natürlich, was weiter passiert. Auch die Entwicklung in der GPA sehe ich sehr positiv. Vielleicht wird dort mal jemand benötigt, der sich um die Planung und Durchführung der Turniere kümmert.“

Heiko: „Danke für das nette Interview, die vielen Informationen und den Einblick in die letzten Jahre und den Ausblick in die Zukunft. Eine Frage habe ich noch: Wann sehen wir uns wieder?“

Tobias: „Auf der GPO in Gronau natürlich!“

Heiko: „Darauf freue ich mich schon. Dann trinken wir beide zusammen eine große Limonade. Die erste geht auf mich. (-;

Tobias: „Falsch! Das erste Getränk geht immer auf Matthias.“